Vorlesetag in Panketal: Von Kitas bis Gemeindehaus – Andrang bei Bestseller-Autor Harald Jähner

Am Freitag, den 17. November 2023 las der in Panketal lebende Autor Harald Jähner aus seinen Büchern „Höhenrausch" (2022) und „Wolfszeit" (2019, Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse).

Der Germanist, Historiker und Publizist Harald Jähner, bis 2015 Feuilletonchef der „Berliner Zeitung", war im Rahmen des bundesweiten Vorlesetages zu Gast bei der Kunstbrücke Panketal e.V.".

Gleich zu Beginn des Abends erläuterte der Autor den rund 50 Zuhörern, was ihn zum Schreiben seines Buches „Wolfszeit“ veranlasst hatte: die Lücke in der nationalen Geschichtsschreibung. Während es über das so genannte Dritte Reich und die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR ab 1949 zahlreiche Bücher und Publikationen gebe, sei die Zeit dazwischen von der offiziellen Geschichtsschreibung kaum beachtet worden. Zudem sei zu beobachten, dass der Überlieferungskanon die Geschichte ins Negative gewendet habe, während Zeitzeugen nur wenige Jahre nach Kriegsende durchaus auch von vielen positiven Erlebnissen berichtet hätten. So habe es in Berlin bereits wenige Wochen nach dem Krieg über 50 Tanzlokale gegeben, in denen sich die vergnügungssüchtigen Überlebenden zum Schwoof trafen. Diesem breiten Spektrum gibt Jähner in „Wolfszeit“ mit seinem aus vielen Einzelschilderungen komponierten Überblick eine Stimme.
Mit der Faszination des Spätgeborenen lernt man auch in „Höhenrausch“ eine Zeit kennen, in der das traditionelle Leben aus den Fugen zu geraten schien: Frauen wurden durch die in großer Zahl entstandenen Büroarbeitsplätze unabhängiger von einem „Ernährer“ und damit selbstständiger. Ein eigenes Kapitel widmet Harald Jähner dem Mythos Auto. In den zwanziger Jahren wurde der Grundstein für die innige Beziehung der Deutschen zum Automobil gelegt. Der Legende vom Beginn des Autobahnbaus durch die Nationalsozialisten setzt der Autor entgegen, dass die erste deutsche Autobahn von Köln nach Bonn bereits vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer eröffnet wurde, der mit dem Baggerverbot auch das spätere nationalsozialistische Arbeitsbeschaffungsprogramm vorwegnahm. Ob „Automobilistinnen“ wie Erika Mann oder Clärenore Stinnes, ob Autoverehrer wie Bert Brecht (mit seiner Hymne auf den „Steyrwagen“) oder Fortschrittsverweigerer wie Ernst Jünger - der unaufhaltsame Wandel erfasste alle Teile der Gesellschaft stärker denn je. „Höhenrausch“ versammelt eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmen der 1920er Jahre und bietet einen ungemein facettenreichen Einblick in Alltag, Arbeit und Freizeit der Menschen vor 100 Jahren - jenseits der offiziellen Geschichtsbücher.

„Hier vor heimischem Publikum gibt es keine Anonymität, ich gehe gewissermaßen aus der Deckung“, erklärte der Publizist und Historiker Jähner den Anwesenden. „Denn hinterher kann es passieren, dass ich an der Supermarktkasse angesprochen werde, weil jemand etwas aus den Büchern weiter diskutieren möchte. Insofern ist die Lesung heute hier in Panketal schon etwas Besonderes für mich.“
Einige Fragen aus dem Publikum und anhaltenden Applaus später ging eine gelungene Veranstaltung zu Ende. Sylvia Pyrlik von der Buchhandlung „Schatzinsel“ bot die Bücher des Autors zum Verkauf an, wovon rege Gebrauch gemacht wurde, um die erworbenen Bücher anschließend signieren zu lassen.

Bereits am Vormittag hatte der Vorlesetag in Panketal mit zahlreichen Aktionen in verschiedenen Kindertagesstätten begonnen. Zahlreiche ehrenamtliche Vorleserinnen und Vorleser lasen vor vielen kleinen Zuhörerinnen und Zuhörern, so auch Kunstbrücken-Mitglied Jürgen Schneider in der Kita „Traumschloss“. "Rund ein Drittel aller Eltern lesen ihren Kindern derzeit nicht vor, stellt die „Stiftung Lesen“ fest. Vorlesen ist der erste wichtige Schritt zur Lesekompetenz der Kinder. Ohne Lesekompetenz sind Kinder aber ein Leben lang benachteiligt! Dem wollen und müssen wir entgegenwirken“, so Niels Templin vom Verein „Kunstbrücke Panketal e.V.“. „Wenn auch Sie anderen vorlesen möchten, egal ob Kindern oder Senioren, dann melden Sie sich bei uns. Wir beraten Sie gerne und stellen den Kontakt zu interessierten Einrichtungen her. Vorlesen ist einfacher, als man denkt“.

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